Sternstunde in der Elbphilharmonie

[…] Das Publikum im Großen Saal der Elbphilharmonie bejubelte zu Recht einen großen Geiger, ein tolles Orchester und einen atemberaubenden Dirigenten.[…] Wie sehr und wie tief sich Christian Tetzlaff auf Mozarts letztes, fünftes Violinkonzert in A-Dur eingelassen hat, wie genau er es kennt und befragt hat, das zeigte sich in jeder Sekunde. Nur so kann einer so unglaublich frei spielen.
Meist schloss sich Tetzlaff in den reinen Orchesterpassagen den ersten Geigen an – eine zu Mozarts Zeiten übliche Praxis, der aber heute nicht alle Solisten folgen –, um dann bei seinem ersten Solo mit einem zarten, leisen, intensiven Ton für gespannte Aufmerksamkeit zu sorgen. Robin Ticciati stimmte das Orchester ganz fein auf Tetzlaff ab, aber so, dass man immer wieder aufhorchte. Nebenstimmen im Orchester, die mit der Sologeige kommunizieren, holte er prägnant, aber nicht dominierend heraus. Sonst gehen sie oft unter. Der zärtliche Ton setzte sich im langsamen Satz fort: ruhig, mit ganz  natürlichem Puls ließen Tetzlaff und Ticciati die anmutigen Töne sich entfalten. Christian Tetzlaff tänzelte sanft mit einem leichten Wiegen zur Musik. Seine meist geschlossenen Augen verrieten seine Konzentration, aber in jedem Moment fühlte man sich angesprochen. Da sagt einer, hört her, das ist einfach großartige Musik!
Und vor allem eine mit Tiefgang. Immer wieder gibt es die düsteren, harmonischen Eintrübungen, wo Mozart die heitere Stimmung hinterfragt. Dazu gehört auch der überraschende ruppige Ausbruch in einen kernigen türkischen Marsch im finalen Rondo, lustvoll, energisch serviert von Tetzlaff und Ticciati. Genauso überraschend ist aber der unprätentiöse Schluss des Konzertes. Plötzlich und unvermittelt mit einer eleganten Geste, leise und gar nicht effektvoll hört das Stück auf. Wie eine offene Frage, ein Schulterzucken. […]

 

Hamburger Abendblatt Kultur, 10./11. Oktober 2020, Elisabeth Richter

Sternstunde in der Elbphilharmonie

[…] Das Publikum im Großen Saal der Elbphilharmonie bejubelte zu Recht einen großen Geiger, ein tolles Orchester und einen atemberaubenden Dirigenten.[…] Wie sehr und wie tief sich Christian Tetzlaff auf Mozarts letztes, fünftes Violinkonzert in A-Dur eingelassen hat, wie genau er es kennt und befragt hat, das zeigte sich in jeder Sekunde. Nur so kann einer so unglaublich frei spielen.
Meist schloss sich Tetzlaff in den reinen Orchesterpassagen den ersten Geigen an – eine zu Mozarts Zeiten übliche Praxis, der aber heute nicht alle Solisten folgen –, um dann bei seinem ersten Solo mit einem zarten, leisen, intensiven Ton für gespannte Aufmerksamkeit zu sorgen. Robin Ticciati stimmte das Orchester ganz fein auf Tetzlaff ab, aber so, dass man immer wieder aufhorchte. Nebenstimmen im Orchester, die mit der Sologeige kommunizieren, holte er prägnant, aber nicht dominierend heraus. Sonst gehen sie oft unter. Der zärtliche Ton setzte sich im langsamen Satz fort: ruhig, mit ganz  natürlichem Puls ließen Tetzlaff und Ticciati die anmutigen Töne sich entfalten. Christian Tetzlaff tänzelte sanft mit einem leichten Wiegen zur Musik. Seine meist geschlossenen Augen verrieten seine Konzentration, aber in jedem Moment fühlte man sich angesprochen. Da sagt einer, hört her, das ist einfach großartige Musik!
Und vor allem eine mit Tiefgang. Immer wieder gibt es die düsteren, harmonischen Eintrübungen, wo Mozart die heitere Stimmung hinterfragt. Dazu gehört auch der überraschende ruppige Ausbruch in einen kernigen türkischen Marsch im finalen Rondo, lustvoll, energisch serviert von Tetzlaff und Ticciati. Genauso überraschend ist aber der unprätentiöse Schluss des Konzertes. Plötzlich und unvermittelt mit einer eleganten Geste, leise und gar nicht effektvoll hört das Stück auf. Wie eine offene Frage, ein Schulterzucken. […]

 

Hamburger Abendblatt Kultur, 10./11. Oktober 2020, Elisabeth Richter