Die Logik der Gefühle

[…] Technisch souverän, geht es Tetzlaff nicht ums makellose Spiel, sondern um den unmittelbaren Ausdruck. Er konzentriert sich immer auch aufs Innere des Klangs und formt daraus den Ton – und ist so mittendrin im Innenleben Tschaikowskys, bei dem höchstes Glück und tiefste Krise stets nach beieinandergelegen haben sollen. Nicht ohne Grund scheint Tetzlaff mit geschlossenen Augen zu spielen, was der Konzentration dienen mag, aber eben auch den Eindruck hinterlässt, als wolle er im oder hinter dem Werk verschwinden.

Hörbar ist auch seine Erfahrung in der zeitgenössischen Musik, in der ungeheuren Vielfalt der Ausdrucksfarben, die auch die Feinabstufung fahler oder harscher Abtönungen mit einschließt. Nur so werden das völlige Absinken und rasante Wiederaufladen der (Lebens-)Energien so plastisch erlebbar, in das die euphorischen, wild entfesselten oder schmerzvollen Phasen hier immer wieder münden – für den Ausdruck existenzieller Gefährdung unabdingbar.

Kein Ton bleibt bei Tetzlaff bloß virtuose Geste. Rasende Läufe, haarige Doppelgriffpassagen, wuseliges Akkordwerk, das Spiel in den hohen Lagen bis ins Flageolett: Alles überführt dieser großartige Gestalter in die Logik der Gefühle, in ihre Sprache. […]

Stuttgarter Nachrichten, 22. November 2022, Verena Grosskreutz

Die Logik der Gefühle

[…] Technisch souverän, geht es Tetzlaff nicht ums makellose Spiel, sondern um den unmittelbaren Ausdruck. Er konzentriert sich immer auch aufs Innere des Klangs und formt daraus den Ton – und ist so mittendrin im Innenleben Tschaikowskys, bei dem höchstes Glück und tiefste Krise stets nach beieinandergelegen haben sollen. Nicht ohne Grund scheint Tetzlaff mit geschlossenen Augen zu spielen, was der Konzentration dienen mag, aber eben auch den Eindruck hinterlässt, als wolle er im oder hinter dem Werk verschwinden.

Hörbar ist auch seine Erfahrung in der zeitgenössischen Musik, in der ungeheuren Vielfalt der Ausdrucksfarben, die auch die Feinabstufung fahler oder harscher Abtönungen mit einschließt. Nur so werden das völlige Absinken und rasante Wiederaufladen der (Lebens-)Energien so plastisch erlebbar, in das die euphorischen, wild entfesselten oder schmerzvollen Phasen hier immer wieder münden – für den Ausdruck existenzieller Gefährdung unabdingbar.

Kein Ton bleibt bei Tetzlaff bloß virtuose Geste. Rasende Läufe, haarige Doppelgriffpassagen, wuseliges Akkordwerk, das Spiel in den hohen Lagen bis ins Flageolett: Alles überführt dieser großartige Gestalter in die Logik der Gefühle, in ihre Sprache. […]

Stuttgarter Nachrichten, 22. November 2022, Verena Grosskreutz